Seit zwei Jahren von Familie getrennt: Hungerstreik von Vater Abdelnasir A.

Abdelnasir A., der aus Syrien floh und heute in Leipzig lebt, hat am Donnerstag einen Hungerstreik begonnen, um auf seine verzweifelte Situation aufmerksam zu machen. Seit zwei Jahren lebt der 30-Jährige mit seinem vierjährigen Sohn Usame in Leipzig, getrennt vom Rest seiner Familie. Abdelnasirs Frau Asmaa sowie die Tochter Haya (3) und der anderthalbjährige Sohn Anas befinden sich noch in der Türkei, wo sie ohne Aufenthalt, ohne Arbeit und ohne medizinische Versorgung leben müssen.

„Ich habe Anas noch nie gesehen, da er erst nach unserer Flucht geboren wurde“, sagt Abdelnasir mit Tränen in den Augen. Obwohl Abdelnasir und Usame in Deutschland Flüchtlingsschutz erhalten haben und damit berechtigt für den Familiennachzug sind, gestaltet sich dieser äußerst schwierig. Im Januar hatte die Familie ein Visumsinterview beim Deutschen Generalkonsulat in Istanbul. Doch für Tochter Haya wurde kein Visum ausgestellt, da die syrischen Behörden sich weigern, eine Geburtsurkunde auszustellen. „Ein solcher Fehler ist nicht behebbar“, so die Begründung des Konsulats. Das Konsulat einer Diktatur, die in der Regel wenig Interesse besitzt der eigenen Bevölkerung zu helfen, aber horrende Summen für Dokumente verlangt.

DNA-Test nicht berücksichtigt

Herr A. und sein Sohn Usame kurz nach ihrer Ankunft in Deutschland. Damals waren beide noch in der Hoffnung, dass sie ihre Familie schnell wiedersehen.

Die Eltern boten einen DNA-Test an, um Hayas Abstammung zu klären – laut UNHCR der übliche Weg in solchen Fällen. Doch das Konsulat reagierte nicht darauf. Um wenigstens Mutter und Sohn Anas nach Deutschland zu holen, zog die Familie schließlich Hayas Visumsantrag zurück. Seitdem herrscht jedoch Funkstille von Seiten des Konsulats, trotz dutzender Emails der Familie. „Ich fühle mich vollkommen machtlos. Es scheint, als würde das Konsulat nicht richtig arbeiten und es keine Lösung für meinen Fall geben“, klagt Abdelnasir. In seiner Verzweiflung sieht er nur noch den Hungerstreik als Ausweg, um auf die Fehler aufmerksam zu machen. Psychisch gehe es ihm extrem schlecht, sagt er. Die Ausländerbehörde in Leipzig kann Abdelnasir ebenfalls nicht weiterhelfen. Dort werde ihm nicht geglaubt, dass für Haya keine Dokumente zu beschaffen seien, heißt es. Eine Stellungnahme des Generalkonsulats in Istanbul liegt uns bislang nicht vor.

In Deutschland stehen laut Artikel 6 des Grundgesetzes Familien und Ehepaare unter besonderem Schutz der staatlichen Ordnung. Doch laut Pro Asyl sorgen der enorme bürokratische Aufwand und eine Unterbesetzung des Personals in den Botschaften dafür, dass zehntausende Geflüchtete Familien in Deutschland dabei ausgeklammert werden. Während also Abdelnasir A. und viele Tausende mehr ihr Recht auf Familiennachzug nicht wahrnehmen können, wird verlangt, dass diese Menschen sich schnellstmöglich integrieren. „Kontakt zwischen engsten Familienangehörigen über Jahre zu unterbrechen, kommt für die Betroffenen mentaler Folter gleich. Und ein Ankommen ist erst möglich, wenn Menschen mental dazu in der Lage sind. Wird Familiennachzug durch Behörden verhindert, wird auch Integration blockiert“, erklärt Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat.

Abdelnasir A. ist seit sechs Tagen im Hungerstreik und sein Gesundheitszustand verschlechtert sich zunehmend.

 

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