PM: Sie „kooperierte nicht“ – Innenministerium sieht keinen Fehler

Unverfroren schiebt Innenministerium Verantwortung auf Jugendhilfeeinrichtung
Nach der versuchten Abschiebung einer Minderjährigen aus einer Jugendilfeeinrichtung am 10. November schiebt das Innenministerium alle Verantwortung von sich. Nach dessen Ansicht hätten die Mitarbeiter*innen der Einrichtung den Job der Behörden übernehmen sollen. Die mögliche Missachtung eines Beschlusses der Stadt Dresden hat ein Nachspiel. Und: wenigstens eine Person bewies in der Nacht Haltung.

„Frech.“ so bezeichnet Jörg Eichler vom SFR die Antwort des Innenministeriums auf die Anfrage von Jule Nagel, MdL, DIE LINKE. Nagel wollte nähere Information zur Abschiebung nach Georgien am 10. November erhalten, unter anderem wurde versucht, eine 15-jährige aus einer Dresdner Jugendhilfeeinrichtung abzuschieben. Zudem wurde eine Familie getrennt. Kindeswohlgefährdung und damit die Missachtung eines Beschlusses des Dresdner Jugendhilfeausschusses zum Schutz von Minderjährigen bei Abschiebungen – diese Vorwürfe standen im Raum. „Das Innenministerium macht es sich sehr leicht.“ berichtet Eichler. „Unverfroren schiebt es die Einrichtung zu.“ Die Beamt*innen seien davon ausgeangen, dass die Mitarbeiter*innen der Jugendhilfeeinrichtung die Jugendliche auf die vollziehbare Ausrisepflicht vorbereitet hätten. Oder eben die Mutter. „Eine Minderjährige kommt ja nicht ohne Grund in eine Jugendhilfeeinrichtung. Auf die Fürsorgepflicht der Mutter abzustellen, ist realitätsfern.“ ärgert sich Eichler. Die Informationspflicht der Behörden könne zudem nicht auf die Einrichtung übertragen werden. „Es ist weder Aufgabe noch Profession der Mitarbeiter*innen, Ratschläge zum Asyl- und Aufenthaltsrecht zu geben.“ so Eichler. Große Achtung hat er vor der Mitarbeiterin, die, wie es das Staatsministerium ausdrückt, „nicht kooperierte“ und Auskunft über den Aufenthalt der Minderjährigen verweigerte. „Wenigstens eine Person richtete sich in ihrem Verhalten nach menschenrechtlichen Grundsätzen.“ Immerhin: Jugendliche und Jugendhilfeeinrichtung müssten nun nicht mehr damit rechnen, dass noch einmal ein solcher Abschiebungsversuch unternommen wird.

Jugendhilfeeinrichtungen seit September 2019 nicht mehr sicher

Die Jugendliche sollte am 10. November von der Polizei abgeholt werden. Die Abschiebung misslang, weil die Mutter nicht aufgefunden werden konnte. Es war der zweite Versuch, schon am 01. September sollte ein Flieger mit Mutter und Tochter Richtung Georgien abheben. Der SFR hatte das Vorgehen als „No-Go“ kritisiert und darauf verwiesen, dass eine Jugendhilfeeinrichtung ein besonders geschützter Ort ist. Der SFR beobachtet, dass er seit September 2019 nicht mehr als solcher von den Behörden geachtet wird. Eichler: „Wir sehen hier ganz dringenden Handlungsbedarf.“ Vertreter*innen der Stadt Dresden haben sich derweil an die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) gewandt, nach Information des SFR mit der Bitte um Erklärung, warum der Beschluss des Jugendhilfeausschuss missachtet wurde. „Der Inhalt des Schreibens wird derzeit von der ZAB geprüft.“ schreibt das Innenministerium.

Am 10. November wurden laut einer zweiten Anfrage 40 Personen aus Sachsen nach Georgien abgeschoben. Erneut wurde die Abschiebung, diesmal von drei Personen, abgebrochen. Die Kapazität des Fliegers sei überschritten gewesen, antwortet das Innenministerium. Das war schon einmal vorgekommen – am 10. September 2019, auch bei einer Abschiebung nach Georgien. Übrigens – nur zwei Tage später, auch bei einer Abschhiebung nach Georgien – musste erstmals der Bruch des Schutzraums Jugendhilfeeinrichtung festgestellt werden.

Kontakt:
Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
Jörg Eichler
Mobil: 01575 / 967 62 20
Mail: eichler@sfrev.de

Teile diesen Beitrag: