Pressespiegel zur Asylpolitik vom 30. Juni 2020

Pressespiegel zur Asylpolitik vom 30. Juni 2019
Erstellt von Mark Gärtner / gaertner@sfrev.de

Geschehenes – Kurzmeldungen

Blick nach Europa und die Welt.

  • Mit 79,5 Millionen Menschen sind weltweit so viele auf der Flucht wie noch nie. Die Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr um 9 Millionen gestiegen und wird immer kurz vorm Weltflüchtlingstag am 20. Juni vom UNHCR veröffentlicht.
    SZ (18.06.20)

 

  • Die griechische Küstenwache setzt Menschen auf aufblasbaren Rettungsinseln aus. Geschehen am 13. Mai. Die griechische Küstenwache attackiert mittels maskierter Personen Boote, in denen sich Geflüchtete befinden. Geschehen am 04. Juni.
    Zeit (17.06.20)

 

  • Die Ocean Viking hat am Sonntag 67 Menschen im Mittelmeer gerettet.
    Tagesspiegel (28.06.20)

 

  • Die griechische Regierung verlegt weiter fliehende Menschen von den Inseln aufs Festland, im Juni bisher 1.900. Allein im Lager Moria, Lesvos, leben derweil noch 15.600 Menschen. Die Zahl der Menschen auf den Inseln ist seit März von 40.000 auf 33.500 gesunken.
    Zeit (26.06.20)

 

  • Menschen, die in Ungarn um Asyl suchen, werden in „Transitzonen“ – Lagern – festgehalten, heißt, sie dürfen sie nicht verlassen. Die EU hatte deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Der zuständige Generalanwalt Priit Pikamäe zeigt sich nun in seinem Schlussantrag überzeugt, dass er das Verfahren am Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewinnen werde. Ein Urteil wird in einigen Wochen erwartet.
    Zeit (25.06.20)

 

  • Mittels Corona-Schutz-Verordnungen (Italien), Schiffssicherheitszeugnissen (Deutschland), Anlaufverboten (Italien), der Zusammenarbeit mit der brutalen libyschen Küstenwache (EU) – der Tagesspiegel mit einem Überblick, was Regierungen einfallen kann, um Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen.
    Tagesspiegel (29.06.20)

Bund, Land, Kommune

  • Bundesinnenminister Horst Seehofer meint, das EU-Asylrecht müsse reformiert werden und schlägt vor, weitere Lager an den Grenzen – fernab allein von Rechtsschutz – zu errichten. Die SPD findet das desaströs. Und schlägt weitere Lager innerhalb Europas vor.
    Berliner Zeitung (16.06.20)

 

  • Nachdem die Thüringer Landesregierung ein eigenes Aufnahmeprogramm für 500 Menschen beschlossen hat, dies aber noch nicht starten kann, weil im Landtag die Mehrheit fehlt, gibt es nun ein weiteres Angebot. Der Migrationsminister Dirk Adams bietet dem Bundesinnenministerium die Aufnahme von 200 Menschen an.
    MDR (23.06.20)

 

  • Die Pandemie hat es nochmal deutlich offengelegt: wer nicht krankenversichert ist, ist oft auch aufenthaltsrechtlich in einer prekären Situation. Bedeutet, im Krankheits- oder Infektionsfall wird gerade nicht der Weg zum*zur Ärzt*in gesucht, vor allem dann nicht, wenn eine Behörde über die Behandlung entscheiden muss. Die Clearingstelle CABL in Leipzig ist erste Anlaufstelle für Betroffene.
    MDR (24.06.20)

 

  • Deutschland ist der einzige EU-Mitgliedsstaat, der im Zuge der Pandemie die Dublin-Überstellungsfristen eingefroren hat. Heißt, wenn die Pandemie für beendet erklärt wird, fangen die Fristen erneut an zu laufen. In der Konsequenz bedeutet das, dass keine Rechtssicherheit für Geflüchtete besteht und sich Deutschland jeglicher Solidarität mit allen anderen Mitgliedsstaaten entzieht. Dagegen laufen knapp zehntausend Verfahren.
    Zeit (25.06.20)

 

  • Abschiebeminister des Jahres – das ist Bayerns Innenminister Joachim Hermann. Den Titel verleihen Jugendliche ohne Grenzen jedes Jahr anlässlich des Innenministerkonferenz. Im Interview mit der taz gibt Mohammed Jouni wieder, warum ausgerechnet ein Innenminister von der SPD, der Berliner Andreas Geisel, auf dem zweiten Platz gelandet ist.
    taz (18.06.20)

Hintergrund und Meinung

  • Brilliante Recherche, das Must-Read dieses Pressespiegels. Tobias Wilke im Volksverpetzer zu Racial Profiling: wer glaubt, dass rassistische Bild von drogendealenden, „afrikanischen“ Menschen sei irgendwie mit Zahlen begründbar, irrt. Ganze 1,2 Prozent aller Tatverdächtigen im Bereich Rauschgiftkriminalität haben die Staatsbürgerschaft eines von 54 (!) afrikanischen Staaten. Wilke schlüsselt darüber hinaus auf, wie Racial Profiling entgegengewirkt werden könne und stellt eine These auf, warum Polizist*innen sich so vehement dagegen wehren.
    Volksverpetzer (11.06.20)

 

  • Uuund ein zweiter Must-Read diesmal: Lager, warum sie rassistisch sind, wie das Asyl- und Aufenthaltsrecht feingliedrige Unterscheidungen unter Geflüchteten macht – immer im Sinne ihrer ökonomischen Verwertbarkeit – und wie dann noch Corona da reinspielt – das alles in einer kurzen, schlüssigen Analyse von Hendrik Lammers im Migazin.
    Migazin (17.06.20)

 

  • Bei SPON fordert Petra Bendel ein Ende der europäischen „Asyllotterie“, in der Asylverfahren und Unterstützungsmaßnahmen je nach EU-Mitgliedsstaat höchst unterschiedlich ausfallen. Hinzu kommen zahlreiche Verstöße gegen internationales Recht, wie die PushBacks von Griechenland und Kroatien. Bendel erinnert an die Überfälligkeit der Reform, die die Staaten an den Außengrenzen dringend verlangen, die aber an den Višegrad-Staaten scheitert.
    SPON (28.06.20)

 

  • Ähnlich analysiert Caterina Lobenstein in der Zeit die Lage des europäischen Asylrechts und der Asylpolitik. Sie kommt jedoch zu dem Schluss: kollektiver Rechtsbruch führt eben nicht zu kollektiver Abstumpfung. Das zeigen die Forderungen nach Aufklärung über den durch einen griechischen Beamten erschossenen Menschen, unter anderem durch EU-Parlamentarier*innen. Mehr noch: Bürgermeister*innen in ganz Europa sagen nicht nur, dass sie zur Aufnahme bereit sind. Sie gehen darüber hinaus und wollen die Verantwortung für die Asylpolitik weg vom Nationalstaat und hin zu den Kommunen verschieben. From the Sea to the City!
    Zeit (23.06.20)

 

  • Im Tagesspiegel wird anhand von Ibrahim K.s Geschichte verdeutlicht, wie notwendig psychologischer support, wenn nicht eine Therapie für Geflüchtete sind. Es beginnt mit Schmerzen im Herz – mental wie physisch. „Manchmal denke ich, es wird explodieren.“ sagt er. Thomas Elbert, Professor für klinische Psychologie und Neuropsychologie an der Universität Konstanz und Sprecher der Arbeitsgruppe „Psychische Gesundheit Geflüchteter“ in der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina ordnet das ein: „„In einer neuen Gesellschaft mit neuer Sprache anzukommen, ist ein harter Prozess. Dafür muss man voll leistungsfähig und seelisch gesund sein.“ Einige Lösungsvorschläge hat die Arbeitsgruppe bereits 2018 unterbreitet, unter anderem das Konzept der „Peer-Berater*innen“ vorgestellt. Das sieht vor, dass Menschen mit eigenen Fluchterfahrungen von Menschen, die ähnliches durchgemacht haben, begleitet werden. Passiert ist nichts. K. versucht sich selber zu stabilisieren. Er lernt an einer privaten Theaterschule und arbeitet nebenher, um den Platz zu finanzieren.
    Tagesspiegel (25.06.20)
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