Erste Runde auf meinen Nacken!

Im letzten Monat begann der Fastenmonat Ramadan. Aufgrund der Coronakrise läuft der Fastenmonat in diesem Jahr ganz anders ab. Kein Gebet in der Moschee und aufgrund Kontaktbeschränkungen kein ausgelassenes Fastenbrechen im großen Kreis.

Dennoch war es ein besonderes Fest: Unsere Kollegin Hasina hat die letzten Wochen für Menschen in einer Chemnitzer Aufnahmeeinrichtung gekocht. Sie berichtet, warum und was die Reaktionen waren:

Wie es kam? Spontan. Ich stand in der Küche und wollte die erste Mahlzeit im Monat Ramadan zubereiten an einem Samstag im April. Ich öffnete meinen Vorratsschrank und habe mich geschämt. Ich bin eine von denen, die egoistisch den Hamstereinkauf gemacht haben, wegen der Corona-Pandemie. Reich an Lebensmitteln, Gefrierschrank voll mit Fleisch und Fisch. Mir fiel ein, was essen meine Klient*innen aus dem CoWerk heute zum Fastenbrechen?? Die Sammelunterkunft ist für Menschen mit Behinderung ausgelegt. Viele von ihnen können nur liegen oder im Rollstuhl sitzen, sind krank und zählen als besonders schutzbedürftig. Manche fasten, aber einkaufen können sie ja nicht. Ich fiel in Tränen und rief direkt den Geschäftsführer des CoWerks an, habe ihm erklärt, dass wir Ramadan haben und das Fastende nach Sonnenuntergang erstmals essen dürfen, ich gehe davon aus, dass es Ihrerseits nicht möglich ist, das mit einer warmen Speise zu ermöglichen und bitte Sie mir zu erlauben was zu kochen und im CoWerk zu verteilen. Er war ziemlich überrascht und wollte mich in eine halbe Stunde zurückrufen. Ich verrichtete mein Gebet und dann kam schon der Anruf von der Heimleitung, eine freundliche junge Dame war begeistert von der Idee und hat zugestimmt, es folgten Absprachen über Verpackung, einzuhaltende Hygienevorschriften und Beachtung der Kühlkette von Lebensmittel. Ich war glücklich, oh ja sehr glücklich. Ich hatte fast alles da und fing an zu kochen. Was fehlte wurde nachgekauft, Datteln zum Fastenbrechen, Suppe, Hauptmahlzeit aus Reis und Eintopf und zum Versüßen der Genüsse den Milchreis zum Abschluss.

Ein Klient im CoWerk erstellte eine Liste über die Anzahl der Bewohner, Lieferung erfolgte jeden Sonntag und teilweise mittwochs pünktlich um 17.30 mit 45 Portionen wurden beide Einrichtungen des CoWerks beliefert. Ein Fest für Alle. Auch nicht moslemische Asylsuchende, Sozialarbeiter*innen und Sicherheitsangestellte haben das Essen genießen dürfen. Schnell wurde ich von meiner Familie und meinen Freunden finanziell unterstützt. Erste Runde auf meinen Nacken, der Rest kam vom Umkreis. Aber kochen habe ich liebend gerne alleine gemacht, ok eventuell einmal wurde ich unterstützt. 😉

Reaktionen von den Bewohner*innen waren neben Dankesgebeten, vor allem Tränen der Freude. Eine Asylsuchende erzählte mir am Telefon, dass sie gestern Essen zum Fastenbrechen bekommen haben. „Wer hat an uns Flüchtlinge gedacht“ und brach in Tränen aus. Ich verschwieg, dass ich es war..

Andere sagten, ich hatte schon eine Dose Fertiggerichte vorbereitet um diese in der Mikrowelle zu erwärmen und dann kam eine Mahlzeit. Mein krebskranker Klient im Endstadium, kam am nächsten Tag in mein Büro und sagte, du warst es, du hast für uns gekocht, stimmt`s?? Wir haben gelacht und dann gemeinsam geweint. Nachdem er mein Büro verließ, kam er nach 20 Minuten zurück mit Süßigkeiten als Dankeschön.

Warum?? Weil ich ein Mensch bin und bleiben will, weil ich an Nächstenliebe glaube und lebe.

Nach jeder Lieferung, belohnte ich mich mit ein Eis mit Karamellsoße und ging im Wald spazieren. : -*

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